1967 wird Helke Sander Mitglied beim Sozialistischen Deutschen Studentenbund. Die Situation der Frauen in der Gesellschaft ist dort kein Thema, auch unter den Frauen nicht. Sie gründet zusammen mit Marianne Herzog den Aktionsrat zur Befreiung der Frauen sowie die Kinderläden in Berlin. Unbezahlte Care-Arbeit, zu wenige Betreuungsangebote für Kinder, kaum Unterstützung durch die Männer bei der Kindererziehung – diese Themen sind auch heute noch, viele Jahre später, aktuell. Auf dem Delegiertenkongress des SDS im September 1968 erklärt sie in ihrer legendären ‚Tomatenrede‘, dass eine gesellschaftliche Veränderung ohne die Befreiung der Frauen nicht möglich ist. Das Private ist politisch. Die Männer kommentieren ihre Rede mit höhnischem Gelächter. Aber die neue deutsche Frauenbewegung beginnt.
Heute, mit über 80 Jahren, räumt Helke Sander auf. Das Kleid, das sie als junge Frau so gern getragen hat, als sie Anfang der 1960er Jahre in Finnland lebte, die prähistorischen Venusstatuen mit großen Brüsten und voluminösen Bäuchen, die Frauen als Mütter feiern, und natürlich Exemplare der Zeitschrift Frauen und Film, die sie 1974 gegründet hat. “Aufräumen hat ja auch eine innere Bedeutung, etwas Transzendentes“.
Als 8-Jährige erlebt sie mit Mutter und kleinem Bruder den Dresdener Bombenangriff im Februar 1945 und kurz danach in Karlsbad die Vergewaltigungen der Frauen durch die Rote Armee. Im Interview berichtet sie: “Wir haben als Kinder Vergewaltigen gespielt.“ 1992 macht sie einen Film darüber: BeFreier und Befreite. In ihrem Film kommen betroffene Frauen zu Wort, aber auch ehemalige Rotarmisten und Kinder, die in dieser Gewaltsituation gezeugt wurden.
Die Gewalt gegen Frauen und ihre Unterdrückung durch patriarchale Strukturen sind ihr Lebensthema.
1989 konfrontiert sie in ihrem Film Die Deutschen und ihre Männer eine Gruppe von Männern mit der Tatsache, dass in der Bundesrepublik Deutschland in jedem Jahr 330.000 Frauen von Männern vergewaltigt werden. „Wie denken Sie darüber nach, dass Sie Angehörige dieses Geschlechts sind, das so etwas macht?“ Helke Sander lässt nicht locker, fordert Antworten – ruhig, klar, sachlich.
Helke Sander: Aufräumen
Dokumentarfilm von
Claudia Richarz
82 min, D 2023
Verleih: barnsteiner film
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In ihrem Spielfilm Die allseitig reduzierte Persönlichkeit – Redupers (1977) übernimmt Helke Sander die Hauptrolle der alleinerziehenden Fotografin Edda, führt Regie und schreibt das Drehbuch: „Was passt in einen Tag und was nicht? Was kann man in 24 Stunden unterbringen, was hängt immer über und will auch Gerechtigkeit?“ Für Redupers erhält sie viele Preise im In- und Ausland. Der Film hat auch heute noch sein Publikum.
Mit dem Kurzfilm Nr. 1 – Aus Berichten der Wach- und Patrouillendienste gewinnt sie 1985 einen Goldenen Bären. Hauptfigur ist eine junge Mutter, die eine Wohnung für sich und ihre zwei Kinder sucht.
Szenenfotos aus dem Film
Copyright Claudia Richarz Film, Deutsche Kinemathek und bpk / Abisag Tüllmann
In Redupers zitiert Sander: „Fantasie ist, ästhetisch verstanden, das leidenschaftliche Interesse an Dingen, die einen nichts angehen: am Unglück oder Glück fremder Personen, am Schicksal einer Lederkugel, Lust an dem, was keinen Sinn hat. Immerhin sollte man das, was einen nichts angeht, frei wählen können.“ (Elisabeth Lenk)
Wie viele Künstlerinnen konnte sie ihre Filme nur mit Hartnäckigkeit und gegen Widerstand drehen. Viele Projekte blieben unrealisiert, die Finanzierungen gelangen nicht. Dazu sagt ihre Weggenossin Gesine Strempel im Film: „Was Frauen wollen, ist vielen Männern sehr fremd. Es besteht ein von Männern geprägter gesellschaftlicher Konsens, was Kultur ist und was nicht.“
Helke Sander war ein Leben lang politisch aktiv und sperrig. Sie hat viele Errungenschaften für Frauen, die uns heute selbstverständlich sind, angestoßen und umgesetzt: „Wer nachdenkt, radikalisiert sich auch.“ Claudia Richarz spürt im Film nach, was das für Sanders eigenes Lebensgefühl, den eigenen Sohn und die Liebe bedeuten mag. Der Film verbindet mit eindrucksvollen Filmausschnitten aus Sanders Werk ihr künstlerisches Schaffen mit ihrem Leben.
Hinter Sanders emanzipierter Haltung steht die kontinuierliche Aufforderung, nachzudenken, vermeintliche Selbstverständlichkeiten nicht hinzunehmen und unabhängig von dem, was andere für richtig halten, auch immer auf sich selbst zu hören.
1967 wird Helke Sander Mitglied beim Sozialistischen Deutschen Studentenbund. Die Situation der Frauen in der Gesellschaft ist dort kein Thema, auch unter den Frauen nicht. Sie gründet zusammen mit Marianne Herzog den Aktionsrat zur Befreiung der Frauen sowie die Kinderläden in Berlin. Unbezahlte Care-Arbeit, zu wenige Betreuungsangebote für Kinder, kaum Unterstützung durch die Männer bei der Kindererziehung – diese Themen sind auch heute noch, viele Jahre später, aktuell. Auf dem Delegiertenkongress des SDS im September 1968 erklärt sie in ihrer legendären ‚Tomatenrede‘, dass eine gesellschaftliche Veränderung ohne die Befreiung der Frauen nicht möglich ist. Das Private ist politisch. Die Männer kommentieren ihre Rede mit höhnischem Gelächter. Aber die neue deutsche Frauenbewegung beginnt.
Heute, mit über 80 Jahren, räumt Helke Sander auf. Das Kleid, das sie als junge Frau so gern getragen hat, als sie Anfang der 1960er Jahre in Finnland lebte, die prähistorischen Venusstatuen mit großen Brüsten und voluminösen Bäuchen, die Frauen als Mütter feiern, und natürlich Exemplare der Zeitschrift Frauen und Film, die sie 1974 gegründet hat. “Aufräumen hat ja auch eine innere Bedeutung, etwas Transzendentes“.
Als 8-Jährige erlebt sie mit Mutter und kleinem Bruder den Dresdener Bombenangriff im Februar 1945 und kurz danach in Karlsbad die Vergewaltigungen der Frauen durch die Rote Armee. Im Interview berichtet sie: “Wir haben als Kinder Vergewaltigen gespielt.“ 1992 macht sie einen Film darüber: BeFreier und Befreite. In ihrem Film kommen betroffene Frauen zu Wort, aber auch ehemalige Rotarmisten und Kinder, die in dieser Gewaltsituation gezeugt wurden.
Die Gewalt gegen Frauen und ihre Unterdrückung durch patriarchale Strukturen sind ihr Lebensthema.
1989 konfrontiert sie in ihrem Film Die Deutschen und ihre Männer eine Gruppe von Männern mit der Tatsache, dass in der Bundesrepublik Deutschland in jedem Jahr 330.000 Frauen von Männern vergewaltigt werden. „Wie denken Sie darüber nach, dass Sie Angehörige dieses Geschlechts sind, das so etwas macht?“ Helke Sander lässt nicht locker, fordert Antworten – ruhig, klar, sachlich.
In ihrem Spielfilm Die allseitig reduzierte Persönlichkeit – Redupers (1977) übernimmt Helke Sander die Hauptrolle der alleinerziehenden Fotografin Edda, führt Regie und schreibt das Drehbuch: „Was passt in einen Tag und was nicht? Was kann man in 24 Stunden unterbringen, was hängt immer über und will auch Gerechtigkeit?“ Für Redupers erhält sie viele Preise im In- und Ausland. Der Film hat auch heute noch sein Publikum.
Mit dem Kurzfilm Nr. 1 – Aus Berichten der Wach- und Patrouillendienste gewinnt sie 1985 einen Goldenen Bären. Hauptfigur ist eine junge Mutter, die eine Wohnung für sich und ihre zwei Kinder sucht.
Szenenfotos aus dem Film
Copyright Claudia Richarz Film, Deutsche Kinemathek und bpk / Abisag Tüllmann
In Redupers zitiert Sander: „Fantasie ist, ästhetisch verstanden, das leidenschaftliche Interesse an Dingen, die einen nichts angehen: am Unglück oder Glück fremder Personen, am Schicksal einer Lederkugel, Lust an dem, was keinen Sinn hat. Immerhin sollte man das, was einen nichts angeht, frei wählen können.“ (Elisabeth Lenk)
Wie viele Künstlerinnen konnte sie ihre Filme nur mit Hartnäckigkeit und gegen Widerstand drehen. Viele Projekte blieben unrealisiert, die Finanzierungen gelangen nicht. Dazu sagt ihre Weggenossin Gesine Strempel im Film: „Was Frauen wollen, ist vielen Männern sehr fremd. Es besteht ein von Männern geprägter gesellschaftlicher Konsens, was Kultur ist und was nicht.“
Helke Sander war ein Leben lang politisch aktiv und sperrig. Sie hat viele Errungenschaften für Frauen, die uns heute selbstverständlich sind, angestoßen und umgesetzt: „Wer nachdenkt, radikalisiert sich auch.“ Claudia Richarz spürt im Film nach, was das für Sanders eigenes Lebensgefühl, den eigenen Sohn und die Liebe bedeuten mag. Der Film verbindet mit eindrucksvollen Filmausschnitten aus Sanders Werk ihr künstlerisches Schaffen mit ihrem Leben.
Hinter Sanders emanzipierter Haltung steht die kontinuierliche Aufforderung, nachzudenken, vermeintliche Selbstverständlichkeiten nicht hinzunehmen und unabhängig von dem, was andere für richtig halten, auch immer auf sich selbst zu hören.